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AGG Schulung: E-Learning zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz info@agg-mitarbeiterschulung.deLoginLetzte Aktualisierung der Schulung: September 2023

Keine Altersdiskriminierung bei Stellenanzeige

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) durfte zu einer deutschen Firma AP Assistenzprofis, die Beklagte des Ausgangsverfahrens war, eine rechtliche Bewertung machen. Diese AP Assistenzprofis ist eine Gesellschaft, die für Menschen mit Behinderungen zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung ihres Alltags Assistenz- und Beratungsdienstleistungen gemäß Sozialgesetzbuch (SGB) IX erbringt.
Gegenständlich war:
AP Assistenzprofis veröffentlichte im Juli 2018 ein Stellenangebot, wonach die 28‑jährige Studentin A. zu ihrer Unterstützung in allen Lebensbereichen des Alltags persönliche Assistentinnen weiblichen Geschlechts suchte, die „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt“ sein sollten.

J. M. P., die 1968 geborene Klägerin des Ausgangsverfahrens, bewarb sich auf dieses Stellenangebot und erhielt von AP Assistenzprofis eine Absage. Nach ergebnisloser außergerichtlicher Geltendmachung ihrer Ansprüche erhob J. M. P. beim Arbeitsgericht Köln Klage gegen AP Assistenzprofis auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen einer Altersdiskriminierung.


Die Klägerin machte u.a. geltend, dass die Stellenausschreibung, welche ausdrücklich an Personen im Alter „zwischen 18 und 30 Jahren“ gerichtete ist, die Vermutung erlaube, dass sie im Bewerbungsverfahren nur wegen ihres Alters nicht berücksichtigt worden sei.
Die Beklagte trägt vor, dass eine evtl. vorhandene Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt sei. Die Tätigkeit der persönlichen Assistenz bestehe in einer höchstpersönlichen Alltagsbegleitung, die eine ständige Abhängigkeit der assistenznehmenden Person bedeute, wonach das Erfordernis eines bestimmten Alters gegeben ist. Dieser Rechtsstreit wurde später dem EuGH vorgelegt.


Entscheidung des EuGHs:
Der Gerichtshof überprüfte im Ausgangsverfahren die maßgeblichen Vorschriften, hier § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I, wonach bestimmt wird, dass bei der Entscheidung über Leistungen der persönlichen Assistenz und deren Ausführung (womit die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gefördert werden soll) den berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen wird. Diese müssen aber angemessen sein, wobei auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen wird.
Bei der Gestaltung der persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderungen und ihren gesetzlich zu beachtenden individuellen Wünschen, müssen die betreffenden Personen in der Lage sein, selbst zu entscheiden, wie, wo und mit wem sie leben.
Damit ist die Berücksichtigung der Bevorzugung eines bestimmten Alters, die die Person mit Behinderung, die Leistungen der persönlichen Assistenz erhält, geeignet, die Achtung ihres Selbstbestimmungsrechts bei der Erbringung dieser Leistungen der persönlichen Assistenz zu fördern.
Für den EuGH lässt sich damit vernünftigerweise erwarten, dass jemand, der derselben Altersgruppe wie die Person mit Behinderung angehört, sich leichter in dessen persönliches, soziales und akademisches Umfeld einfügt.

Damit ist trotz Beschränkung der Bewerberauswahl auf eine gewisse Altersgruppe die Ungleichbehandlung gerechtfertigt.

Quelle:
Urteil des Gerichtshofs vom 07.12.2023, Rechtssache C‑518/22; https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=3B6A5198EAD8DF7394EDC8626EAF1718?text=&docid=280433&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=619492

Fazit:
Obwohl zu Beginn von einer Altersdiskriminierung ausgegangen werden konnte, geht das europäische Gericht bei Menschen mit Behinderung auf deren näheres Umfeld gem. SGB IX ein, wobei bei der persönlichen Assistenz eine entsprechende Altersgruppe zum Wohle dieser Personen gesucht werden darf.

Rechtsanwalt Robert Uhl
www.raau.de oder
www.rechtsanwalt-uhl.de

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