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AGG Schulung: E-Learning zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz info@agg-mitarbeiterschulung.deLoginLetzte Aktualisierung der Schulung: September 2023

Fehlerhafte Stellenausschreibung: Arbeitgeber muss 7.800,00 € zahlen

Der Kläger erhielt in der II. Instanz eine Entschädigung von 7.800,00 € zugesprochen, wobei eine geschlechterdiskriminierenden Stellenausschreibung der Hintergrund war.

Wie war der Sachverhalt?
Die Beklagte (familiengeführter Kleinbetrieb) stellte im Internetportal eBay-Kleinanzeigen am …04.2021 eine Anzeige ein, welche folgenden Inhalt hatte:
„Sekretärin gesucht!
Beschreibung:
Wir suchen eine Sekretärin ab sofort.
Vollzeit/Teilzeit
Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen.
Standort: 2…. B.“

Der männliche Kläger bewarb sich hierauf und bekam eine Ablehnung, da die Beklagte mitteilt, dass sie eine Dame als Sekretärin suchen würden.

Mit Schreiben vom 27.05.2021 wandte sich der Kläger an die Beklagte und verlangte einen Entschädigungsanspruch. Diesem Schreiben war ein vorformulierter Vergleichsvorschlag mit einer Entschädigungssumme in Höhe von 3.500,00 € beigefügt. Zu einer Vereinbarung kam es nicht.

Mit Klage vom 11.06.2021 beim zuständigen Arbeitsgericht verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Er trug vor, dass er als Bewerber wegen des Geschlechts diskriminiert wurde und einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 7.800,00 € hätte.

Diese Betrag errechnete der Kläger derart, dass er mitteilte, dass er eine Durchschnittsbruttomonatsverdienst von 2.600,00 € gehabt hätte. Er habe keine andere Anstellung gefunden und beziehe Arbeitslosengeld. Dieser Betrag wurde gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG mit drei multipliziert, wonach sich die 7.800,00 € ergaben.

Urteil I. Instanz:
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.12.2021 abgewiesen, da es der Ansicht war, der Kläger sei kein „Bewerber“ gemäß dem AGG. Das Gericht führte hierzu u.a. aus:
Der Kläger habe – unstreitig – lediglich über die Chat-Funktion der ebay-Kleinanzeigen-App Kontakt aufgenommen und ein nachfolgendes Telefonat geführt. Er habe über seine Nachfrage hinaus, ob die Beklagte nur eine Frau suche, konkret ein weiterführendes Bewerbungsbegehren nicht (mehr) ausgebracht. Er habe sich nicht bei der Beklagten im Sinne des persönlichen Geltungsbereichs des AGG beworben. Dies setze nach Auffassung der Kammer zumindest voraus, dass sich der Stellensuchende als Person konkretisiert/vorstellt, also hinsichtlich seiner Person und Qualifikation in Bezug auf die Stelle ein Mindestmaß an Informationen übermittelt, die zumindest Bewerbungsverfahren ermöglichten. Dieses Mindestmaß sei im Falle des Klägers nicht erreicht. Es handele sich letztlich um eine Kontaktaufnahme, im Ergebnis nicht um eine Bewerbung im Sinne des AGG.
Hiergegen legte der Kläger die Berufung ein und begehrte weiterhin seine Entschädigung.

Urteil II. Instanz:
Die Berufung des Klägers ist erfolgreich. Die 7.800,00 € kann der Kläger gem. der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts (LAG) rechtsgemäß geltend machen.
Wie war nun hier die Begründung? Das Berufungsgericht teilt u.a. mit:
Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Kläger sich nicht im Sinne des persönlichen Geltungsbereiches des AGG beworben habe, da er hinsichtlich seiner Person und Qualifikation nicht ein Mindestmaß an Informationen übermittelt habe, welches ein Bewerberverfahren ermögliche und es sich lediglich um eine Kontaktaufnahme gehandelt habe. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers wird gesetzlich nicht gefordert. Die Person des Bewerbers muss identifizierbar sein. Dies war der Fall. Der Kläger hat seinen Namen „M. W.“ und seine Qualifikation als Industriekaufmann angegeben. Er hat durch mehrmalige Bitte um eine Rückmeldung sein Interesse an der Stelle bekundet. Er hat ausdrücklich erklärt, sich zu bewerben. Die Beklagte hat sich selbst für eine Ausschreibung auf dem Internetportal Ebay-Kleinanzeigen entschieden. Sie musste damit rechnen, dass Bewerbungen über den Antwortbutton von Ebay-Kleinanzeigen erfolgen. Dies ist der übliche Weg einer Kontaktaufnahme und Bewerbung, wenn der Weg einer digitalen Ausschreibung gewählt wird.
Auch die Höhe der drei Bruttomonatsentgelte sah das Landesarbeitsgericht als rechtsgemäß an.

Quelle:
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.06.2022, 2 Sa 21/22; online seit: 11.10.2022; https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20220146

Fazit:
Die Arbeitgeber (m/w/d) mögen auf allen Plattformen (auch in eBay-Kleinanzeigen) beachten, dass eine Stellenanzeige immer geschlechtsneutral gehalten wird, um eine Entschädigungszahlung, welche bis zu drei Bruttomonatsentgelte betragen kann, zu vermeiden. Statt einer Sekretärin sollte z.B. eine Fachkraft im Sekretariat (m/w/d) gesucht werden!

Robert Uhl, Rechtsanwalt
www.raau.de oder
www.rechtsanwalt-uhl.de

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