Entschädigungszahlung nach Bewerbungsgespräch
Für die Parteien war ein Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) streitgegenständlich, den der Kläger aufgrund einer behaupteten Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung in einem Bewerbungsverfahren vortrug.
Fall:
Ein beklagter Landkreis schrieb die Stelle eines/einer Projektmanagers/in aus. Der Kläger ist schwerbehindert (Grad der Behinderung von 100 %) und bewarb sich hierauf.
Die Beklagte ließ den Kläger anschreiben mit der Formulierung:
„…Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie trotz der geringen Erfolgsaussichten ein Bewerbungsgespräch wünschen und die doch längere Anreise auf sich nehmen…“
Da die Stelle später nicht mit seiner Person besetzt wurde, machte der Kläger eine Entschädigungszahlung gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG in Höhe von 6.440,83 € geltend, da damit eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung gegeben sei.
Begründung des Klägers:
Der beklagte Landkreis habe ihn zwar zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch müsse jedoch frei von jeglicher Diskriminierung erfolgen. Davon könne mit obiger Formulierung keine Rede sein.
Der Landkreis sah dies natürlich anders:
Der Hinweis sei nur aus Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erfolgt. Die Verhaltensweise des Klägers lasse auch Zweifel aufkommen, ob dessen Bewerbung ernsthaft und wahrhaftig gewesen sei.
Urteil erster Instanz:
Das Arbeitsgerichts (ArbG) Pforzheim stellt nach § 82 Satz 2 SGB IX dar, dass ein öffentlicher Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen hat. Mit obiger Formulierung handelt es sich nicht um eine neutrale Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, in dem den schwerbehinderten Bewerber von Anfang an mindestens die gleichen Chancen eingeräumt wurden wie einem der anderen Bewerbern. Damit muss eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG bezahlt werden. Das ArbG hat die Entschädigungshöhe mit einem Bruttomonatsgehalt als angemessen bewertet und hat damit die drei Bruttomonatsgehälter, welche von dem Kläger beantragt wurden, reduziert.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.
Urteil zweiter Instanz:
Die Berufung des beklagten Landkreises ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat in erster Instanz zutreffend entschieden, dass der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aufgrund einer Benachteiligung wegen seiner Behinderung zusteht. Denn mit diesem Vorgehen hat die Beklagte den Schutzzweck des § 82 Satz 2 SGB IX unterlaufen. Dort steht:
Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Der Schutzzweck der Vorschrift besteht nach Darstellung des Gerichts darin, dass ein schwerbehinderter Bewerber bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen muss, selbst wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Selbst wenn sich der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl komme, muss er den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen.
Quelle:
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. November 2014, Aktenzeichen:1 Sa 13/14; http://openjur.de/u/756098.html
Fazit:
Zukünftig werden wohl die öffentlichen Arbeitgeber die Einladungen zu Bewerbungsgesprächen beachten und Benachteiligung wegen einer Behinderung vermeiden. Selbst wenn die fachliche Eignung des Schwerbehinderten zweifelhaft ist, muss sie/er eingeladen werden. Ansonsten muss eine Entschädigungszahlung geleistet werden.
Robert Uhl Rechtsanwalt
www.rechtsanwalt-uhl.de
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