Außerordentliche Kündigung eines Betriebsrats wegen sexueller Belästigung mit Porno
Ausgangssituation:
Ein Arbeitskollege und Betriebsratsmitglied (nachfolgend Beteiligter) hat seiner Kollegin, mit der er ein gemeinsames Büro teilte, am 22.11.2016 zwei eindeutig pornografische Videos auf ihr Smartphone übermittelt. Diese beiden Videodateien degradierten und erniedrigten Frauen zu reinen Sexualobjekten und waren ekelerregend und abstoßend.
Nach Aufarbeitung der Vorkommnisse führt die Arbeitgeberin mit dem Beteiligten ein Personalgespräch, wobei auch der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats anwesend war. Eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde diskutiert, wobei der Beteiligte eine Aufhebung des Arbeitsvertrags ablehnte.
Beim Betriebsrat wurde die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten begehrt.
Zeitliche Schiene:
Der Betriebsrat versagte seine Zustimmung wegen der Versäumung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
Gesetzestext § 626 Abs. 2 BGB:
Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Begründung Betriebsrat:
Der Prokuristin des Unternehmens seien bereits am 23.11.2016 alle maßgeblichen Umstände bekannt gewesen, aber erst am 16.12.2016 fand ein Personalgespräch der Arbeitgeberin mit dem Beteiligten satt.
Am 23.12.2016 hat die Arbeitgeberin das gerichtliche Verfahren eingeleitet und den Beteiligten freigestellt. Er nahm nur noch Betriebsratstätigkeiten wahr.
Entscheidung erster Instanz:
Das Arbeitsgericht Stralsund hat die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten ersetzt. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung lag vor, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung benötigt wurde. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB wurde beachtet
Dagegen ging der Beteiligte vor.
Entscheidung zweiter Instanz:
Die Beschwerde des Beteiligten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu Recht ersetzt. Der Beteiligte hat seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag in schwerwiegender Weise verletzt. Es dürfen Beschäftigte nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden, siehe §§ 1 und 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine solche Benachteiligung durch den Arbeitgeber oder durch andere Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten, gem. § 7 Abs. 3 AGG. Diese ist “an sich” als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, hängt von den jeweiligen Umständen ab, u. a. von Umfang und Intensität der sexuellen Belästigung.
Der Beteiligte hat seine Arbeitskollegin in schwerwiegender Weise sexuell belästigt, indem er ihr zwei eindeutig pornografische Videos auf ihr Smartphone übermittelte.
Zur Kündigungserklärungsfrist:
Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte (Arbeitgeberin) von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Arbeitgeberin hatte aber erst mit Anhörung des Beteiligten Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt, wonach die Frist beachtet wurde.
Quelle:
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 5. Kammer, Beschluss vom 05.03.2020, 5 TaBV 9/19; http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml;jsessionid=0.jp35?showdoccase=1&doc.id=JURE200005370&st=ent
Fazit:
Schon alleine die unerwünschte Zusendung eines Pornos an einen Arbeitskollegen (m/w/d) ist als Grund “an sich” geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Wie der Belästiger sein Verhalten selbst sieht, ist unerheblich. Eine vorherige Abmahnung ist nicht nötig.
Robert Uhl
Rechtsanwalt
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